Tropische versus Siderische Astrologie. Zur Analyse der Unterschiede, Gegensätze und Erkenntnisprobleme für die seriöse Astrologie.
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Tropische vs. Siderische Astrologie
Der Tropische Ursprung des astrologischen Tierkreises liegt in der Unterscheidung der 4 Jahreszeiten. Die tropische Astrologie ist dadurch der Ursprung des 12 er Systems der Tierkreiszeichen. Der Siderische Ursprung der heutigen Tierkreiszeichen liegt in der Namensgebung von Sternbildern (s. Liste der 88 Sternbilder). Für die siderische Astrologie könnte man rein theoretisch genauso gut mit 13 (inkl Schlangenträger), 27 (Mondstationen in der Indischen Astrologie) oder 40 Sternbildern arbeiten. Die Reduzierung der ekliptischen Sternbilder auf 12 einzelne ist deshalb eine Anpassung an die tropischen (Jahreszeiten) Vorgaben und damit an den tropischen Tierkreis.
Die Abfolge und das Ordnungssystem von 12 astrologischen Zeichen (ab 5 Jh.) sowie der gleich großen tropischen Tierkreiszonen mit den heute verwendeten Zeichen wurde etwa ab ca. 380 v. Chr. im Übergang vom seleukidisch – mesopotamischen zum damaligen griechischen Kulturraum entwickelt. In dieser Zeitphase verschob sich der Punkt der Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche auf den Beginn des Sternbildes Widder zu. Die genaue Kongruenz zwischen Tropischen und siderischem Tierkreis fällt in etwa in due Zeit zwischen 100 v. Chr. und 50 n. Chr. – also einen Zeitpunkt der für die christliche Chronologie den Zeitenwechsel schlechthin markierte.
Die älteste erhaltene Abbildung des modernen Tierkreises mit den 12 heute verwendeten Tierkreiszeichen der Tierkreis aus dem Hathor Tempel von Dendera stammt aus dem 1 Jahrhundert vor Christus. Siehe meinen Artikel: Astrology and Sacred Sites: The Temple of Hathor at Dendera
Für die Systematik des Tierkreises wurden die vier Stationen des jährlichen Sonnenzyklus in der nördlichen Hemisphäre als Struktur des Jahreslaufs verwendet um die einzelnen Stationen des Sonnenzyklus zu definieren: die Frühjahrs- Tag- und Nachtgleiche für den astrologischen Jahresbeginn, die Somme- Sonnenwende (längster Tag) für den Höhepunkt des Lichtwachstums, die Herbst Tages- und Nachtgleiche für den Beginn der Verdunkelungsphase und die Wintersonnenwende (kürzester Tag) für die Wiedergeburt des Lichts.
Die 12 sich daraus ergebenden gleich großen Himmelsbereiche wurden mit Namen von einzelnen „Sternbildern“ – also assoziativ frei erfundenen Bezeichnungen für optisch als zusammenhängend betrachtete, scheinbare „Sternformationen“ in der Sogenannten Ekliptik (Sonnenbahn) systematisch benannt, damit man sie und die Planetenbewegungen darin nachts systematisch beobachten und vermessen konnte.
Die Resonanz der verwendeten archetypischen Bilder für die 12 Stationen des jährlichen Sonnenzyklus mit dem sogenannten Zoodiacos (Tierscheibe) zeigt, das die „Tierkreiszeichen“ eindeutig Beschreibungen des Sonnenzyklus sind. Der Begriff Tierkreis ist natürlich eine populär vereinfachende Verniedlichung für den eigentlichen Bildkreis der 12 Stationen des Sonnenzyklus. Denn von den 12 verwendeten Bilder sind nur 7 aus der Tierwelt. 5 passen dagegen gar nicht in die Zoologie.
Dies liegt daran das die verwendeten Bilder die Eigenschaften der Stationen im Jahreslauf beschreiben. So beschreiben die Doppelzeichen Zwillinge und Fische Stationen vor der Umkehrung des Jahreslaufs für die Einteilung in zwei gleichgroße Hälften. Ähnliches gilt für die Zeichen Waage, Krebs und Schütze die Messinstrumente zur Vermessung der Gleichmäßigkeit von 2 Jahreshälften abbilden. Die sogenannten fixen Zeichen Stier (Gras und Getreidewachstum), Löwe (Heißes Klima), Skorpion (Tod der Pflanzenwelt) und Wassermann (Regenzeit) – die das jeweilige Zentrum der Jahreszeiten beschreiben.
Für den Zoodiak wurden auch „Sternbilder“ verwendet die teilweise zum Zeitpunkt der Festsetzung des astrologischen Tierkreise schon seit bis zu 3000 Jahren im mesopotamischen Raum so genannt worden waren, wie sie heute noch in der siderischen Astrologie heißen. Das gilt vermutlich zuallererst für Stier, Widder und Löwe.
Die Sternbilder der siderischen Astrologie sind aber alles andere als 12 gleichgroße Gebilde. Im Gegenteil: Ihre Größe variiert erheblich. Die Tabelle zeigt die astronomischen Definitionen der 13 in der Astronomie üblicherweise verwendeten Sternbilder die über das ca 20° breite Band der Ekliptik also der Sonnenbahn verteilt liegen. Eine Unterscheidung zwischen astrologischen Tierkreiszeichen und astronomischen Sternbildern ist also Grundvoraussetzung
Trotzdem werden in einem okkultistischen Sinne auch heute noch siderische Sternbilder im Stile des tropischen Tierkreises in ein 12 er System aus gleich langen Zonen von 30° gepresst und in Konkurrenz zum tropischen Tierkreis gesetzt. Es gibt auch sogar die Behauptung die siderischen Definitionen der Zeichen sei überlegen, spirituell wahrhaftiger, im kosmischen ganzheitlicher, im wahren Geiste der klassischen Astrologie – Traditionen, alleine richtig und unverfälscht, exakter und vieles mehr and puren Manipulationen.
Und das obwohl durch die Verschiebung – also die sogenannten Präzession der Sternbilder und des Frühlingspunktes die Sternbilder gar nicht mehr wie zum Zeitpunkt der Festsetzung des Tierkreises mit den 4 Eckpunkten des Sonnenzyklus und den daraus abgeleiteten 12 Stationen des Jahreszyklus zusammen liegen.
Die dadurch ausgelöste Verwirrung erreicht einen Höhepunkt wenn besonders intelligente Leute den Umstand das es eigentlich mindestens 13 plausible Sternbilder in der Ekliptik gibt als Kritikpunkt an der tropischen statt an der siderischen Astrologie verwenden. Und mit der Behauptung es handele sich um eine Manipulation durch die Illuminaten, die Kirche oder einfach kleinbürgerliche Spießer, die alles andersartige, freigeistige unterdrücken wollen.Der Begriff Siderische Astrologie stellt eine ganze Verkettung von Okkultismen da:
- Die als Beschreibung des Jahreszyklus von Ptolemäus behandelten 12 Tierkreiszeichen werden nun für Zeitphasen und Zonen der Ekliptik verwendet, die mit ihren ganz präzisen systemischen Ausgangsbildern zum Zeitpunkt der Kongruenz von siderischem und astrologischen Tierkreis nichts mehr zu tun haben. Dadurch ist die präzise astrologische Bedeutung des Tierkreises für die Verwendung im Okkultismus freigegeben.
- Damit wurde buchstäblich eine „alternative Realität“ erschaffen: der Frühling beginnt nun im Zeichen Fische – dem Zeichen für die Ruhephase des Jahres, der Sommer also das Gleichnis der Geschlechtsreife beginnt im pubertären Zeichen Zwillinge, der Herbst in Jungfrau dem Zeichen des Spätsommers und die Rückkehr des Lichtes im Schützen, dem Zeichen des Denkens und der Orientierung in der Dunkelheit.
- Dies bedeutet nicht mal, das einzelne Prognose, Deutungs- oder Analyse Methoden die innerhalb der siderischen Astrologie verwendet werden nicht präzise sein könnten. Jedoch muss die Bedeutung der Tierkreiszeichen so flexibel relativiert werden, das sie keine systemischen Aussagen mehr sind sondern nur in einer deskriptiven Astrologie, bei der der Astrologe die Zeichen je nach Bedarf dem Klienten oder mundanen Phänomen einfach anpasst.
- Dieser Punkt der siderischen Astrologie macht oft in der Praxis allerdings keinen wirklich großen bzw. oft gar keinen Unterschied zur tropischen Astrologie aus – da diese von 90 % der Astrologen nach derselben deskriptiven Methode – und eben nicht als Verwendung von Definitionen der Strukturelemente betrieben wird. Dies ist auch der Grund warum es quasi dem Endverbraucher – also den „Astrologen“ ebenso wie den beratenen Klienten und Lesern gar nicht auffällt. Man könnte fast sagen: beide – die tropische wie die siderische „Astrologie“ sind so weitgehend okkultisiert und relativiert, das so gut wie niemand im Ergebnis die Unterschiede noch differenzieren und auseinander halten kann. Im Gegenteil die Oberhoheit über die Deutung wird nach dem Motto: ich hab das Recht auf meine eigene Meinung von jedem für sich beansprucht.
Letztendlich ist das Geschäft mit der Astrologie ja immer auch eine Hauptsache – und während ich das schreibe gilt das ja im Endeffekt auch für mich und meine Beratungspraxis.
Das ändert jedoch nichts daran, das für den Blick auf die Gesamtbedeutung von Prozessen, Inkarnationen, psychischen, karmischen, mentalen Reflexen usw., für das Aushalten des Schmerzvollen, die Bereinigung des Verdrängten, die Aufarbeitung und Klärung von noch nicht Begriffenem, Unbewussten und auch für die Befriedung mit dem was real ist die selbständige, kritische Rekapitulation der Korruption und Manipulation mit der Astrologie Grundvoraussetzung ist und bleibt.